Nutzung des Schirmgitters beim Pentoden-Audion

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DK1IS
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Nutzung des Schirmgitters beim Pentoden-Audion

Beitrag von DK1IS »

Hallo zusammen,

vorweg: ich will weder langweilen noch angeben, weiß auch nicht, ob ich das Thema im "alten Forum" schon mal begründet habe. Aber weil hier noch nicht so viel los ist und es vielleicht dem einen oder anderen bei seinen Projekten hilft, hier der Text, der in ähnlicher Form auch in der CQ DL 06/25 veröffentlicht wurde.

Nutzung des Schirmgitters beim Pentoden-Audion

Durch externen Zugriff auf das Schirmgitter werden die Nutzungsmöglichkeiten des klassischen Pentoden-Audions erweitert. Ermöglicht werden die Anzeige der Empfangsfrequenz mit einem externen Frequenzzähler, in Verbindung damit die Nutzung des schwingenden Audions als Prüf- oder Steuersender sowie der Einsatz als selektiver Verstärker mit Fremdüberlagerung. Das Konzept ist bei jedem Pentoden-Audion mit Rückkopplung anwendbar. Vorgestellt wird eine Realisierung im bekannten Tornister-Empfänger Berta; der Originalzustand des Gerätes lässt sich jederzeit leicht wieder herstellen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten der Grundidee werden aufgezeigt.

Schaltungskonzept und Konstruktives

Kernpunkt ist ein externer Zugriff auf den Schirmgitterkreis der Audion-Röhre. Üblicherweise wird das Schirmgitter über einen Vorwiderstand bzw. ein Potentiometer aus der DC-Anodenspannung gespeist und für HF mit einem Kondensator gegen Masse abgeblockt. Bei schwingendem Audion fließt über diesen Kondensator der nun vorhandene HF-Anteil des Schirmgitterstroms gegen Masse. In die Masseverbindung des Schirmgitter-Blockkondensators wird die Primärseite eines kleinen Breitband-Transformators eingefügt (1:1, 50 Ohm; z.B. Mini-Circuits T1-6+); er wirkt als potenzialtrennender Stromwandler. Seine Sekundärseite wird mit einem 50-Ohm-Widerstand abgeschlossen, an dem das Abbild des HF-Schirmgitterstroms ansteht.

Dieses Signal wird über ein Mini-Koaxkabel nach außen an eine isolierte Koax-Buchse geführt (z.B. BNC; beim Berta dazu den linken Befestigungsbolzen entfernen und im freien Loch die Buchse nach Verringerung ihres Gewinde-Durchmessers mit wenig Sekundenkleber ohne Mutter reversibel fixieren). Auf der Lötseite durchläuft das Kabel zur Vermeidung von Gleichtaktstörungen mit mehreren Windungen einen passenden EMV-Ringkern. Umgekehrt kann über diesen Zugang bei nicht-schwingendem Audion auch ein externes Oszillator-Signal auf das Schirmgitter eingekoppelt werden, wodurch sich das selektiv verstärkte Empfangssignal multiplikativ in den Audio-Bereich heruntermischen lässt.

Es ist sicher möglich, statt des Stromwandler-Trafos direkt einen 50-Ohm-Shunt in die Masseleitung des Schirmgitter-Blockkondensators einzufügen und das HF-Signal dort abzugreifen. Wegen der fehlenden Potenzialtrennung dürfte jedoch die Gefahr von Rückwirkungen aus den angeschlossenen externen Geräten zunehmen. Das wurde nicht weiter überprüft; bei Bedarf könnten sich dazu eigene Versuche lohnen. In der vorgestellten Version mit Trafo zeigten sich zwischen Leerlauf und Kurzschluss des HF-Ausgangs praktisch keine Rückwirkungen auf das Verhalten des Audions.

Anzeige der Empfangsfrequenz mit einem externen Frequenzzähler

An der BNC-Buchse steht beim Schwingeinsatz des Audions ein sauberes Sinussignal der Schwingfrequenz an (beim Berta nahezu unabhängig vom gewählten Frequenzbereich etwa 20 mVpp). Bei Erhöhung des Rückkopplungsgrades nimmt diese Spannung zu; erst deutlich oberhalb der sinnvoll nutzbaren Spanne zeigen sich dann leichte Verzerrungen im Bereich der Scheitelwerte (beim Berta ab etwa 60 mVpp). Signale dieser Größenordnung eignen sich zur direkten Ansteuerung digitaler Frequenzzähler. Fertige Module werden in verschiedenen Ausführungen zu moderaten Preisen im Internet angeboten. Das Bild zeigt die realisierte Frequenzmessung beim Berta durch ein fertiges Zählermodul, das sich mit seinen Batterien (5 Stück parallele 9-V-NiMh-Akkublöcke), einem Ein-Aus-Schalter und einer Ladebuchse in einem eigenen Metallgehäuse befindet.
Berta_mit_Zähler_ohne_Rand, DK1IS_240701red.jpg
Berta_mit_Zähler_ohne_Rand, DK1IS_240701red.jpg (224.27 KiB) 116 mal betrachtet
Die ausgekoppelte Schwingfrequenz des Audions gelangt hier über eine isolierte BNC-Buchse und einen weiteren kleinen Breitband-Trafo (1:1, 50 Ohm) potenzialfrei auf den Zählereingang. Hierdurch werden störende Rückwirkungen vom digitalen Zähler auf die analoge Audion-Stufe zuverlässig vermieden. Auf der Leiterplatte des eingesetzten Zählermoduls befinden sich zwei Mini-Taster zum Steuern eines Programm-Menues. Neben einem ZF-Versatz (beim Direktmischer: Null bei Messung auf Schwebungsnull bzw. dem unterdrückten Träger des SSB-Signals) und der Anzeigehelligkeit kann unter anderem auch zwischen zwei oder drei angezeigten Kilohertz-Nachkommastellen gewählt werden. Zwei Löcher in der Frontplatte erlauben den Zugriff auf diese Taster. Natürlich können auch andere, schon vorhandene Zähler verwendet werden.

Beim Berta ist insbesondere in den drei oberen Frequenzbereichen mit ihrer relativ schlechten Skalen-Auflösung die digitale Frequenzanzeige äußerst nützlich. Sie erlaubt die Ausschöpfung der Bandgrenzen und macht eine Interpolation zwischen den meist nicht mehr gesicherten Werten der umschaltbaren Eichtabellen entbehrlich. Bei einkreisigen Audion-Empfängern spielen Antenneneinflüsse auf die Eichung nun keine Rolle mehr. Eine Skala ist unnötig; die aktuelle Schwingfrequenz wird immer richtig angezeigt. Zur Frequenzmessung bei AM-Empfang bringt man das Audion kurz zum Schwingen, liest die Frequenz bei Schwebungsnull ab und geht dann wieder zurück vor den Schwingeinsatz.

Betrieb als selektiver Verstärker mit eingebauter Fremdüberlagerung

Ein prinzipieller Nachteil des Audions mit Rückkopplung ist, dass beim Erhöhen des Rückkopplungsgrades Selektivität und Empfindlichkeit bis zum Erreichen des Schwingeinsatzes zwar stark ansteigen, danach aber auf den durch die vorgeschalteten Schwingkreise bestimmten Wert zurückgehen. Dies lässt sich vermeiden, indem man das Audion mit variabler Selektivität vor dem Schwingeinsatz betreibt und ein externes Oszillatorsignal (Sender-VFO, Messsender) zum Heruntermischen in den Audio-Bereich nutzt. Durch die Einspeisung ins Schirmgitter der Audionstufe erfolgt dabei eine multiplikative Mischung; Selektivität und Überlagerungsfrequenz können nun getrennt eingestellt werden. Der Durchlassbereich lässt sich durch die Abstimmung des Empfängers bei Bedarf sogar unsymmetrisch beidseitig zur empfangenen Frequenz positionieren (Passband-Tuning). Zur Einspeisung an der BNC-Buchse ist ein externes Signal im Bereich von etwa -20 dBm … +10 dBm geeignet; der optimale Pegel muss individuell ermittelt werden, kann dann aber konstant bleiben. Ein paralleler Weiterbetrieb des nachgerüsteten Frequenzzählers ist dabei möglich und sinnvoll (BNC-T-Stück). Mit einem hochauflösenden Messsender und nach Optimieren von Abstimmung und Bandbreite über den Rückkopplungsgrad ist es ein Genuss, schwache SSB- und CW-Signale aus dem vollen Band herauszufiltern. Zumindest beim Berta mit seiner HF-Lautstärkeregelung ist aber anzuraten, parallel zum Kopfhörer ein antiparalleles Diodenpaar vorzusehen: falls die Audion-Stufe zufällig doch zum Schwingen kommt, wird es richtig laut! Dieser "Gehörschutz-Gleichrichter" begrenzt auch gleich lästige Schaltgeräusche bei einer Bandumschaltung.

Betrieb als Prüf- oder Steuersender

Im Fall des Berta ist die Frequenzstabilität der schwingenden Audionstufe bei stabilen Betriebsspannungen erstaunlich gut. Bei angeschlossenem Frequenzzähler kann das Ausgangssignal damit als frequenzgenauer Prüfsender im Bereich 100 kHz … 7,1 MHz genutzt werden (BNC-T-Stück).
Bei gemeinsamer Verwendung des Empfängers mit einem Sender in einer Amateurfunk-Station ist es außerdem denkbar, das schwingende Audion auch bei Sendebetrieb durchlaufen zu lassen und die Ausgangsspannung an der BNC-Buchse nach zusätzlicher Verstärkung zur Steuerung des Senders zu verwenden. Dabei ist aber zu beachten, dass das Audion bei Telegrafie ohne zusätzliche Eingriffe um die gewählte Audio-Frequenz neben der Empfangsfrequenz schwingt; insbesondere beim QRP-Betrieb ist das aber nicht ungewöhnlich. Denkbar ist auch die Erzeugung eines DSB-Signals mit Trägerunterdrückung im nachfolgenden Sender; Sende- und Empfangsfrequenz wären dann identisch.

Grundsätzlich sollte die beschriebene rückwirkungsarme Auskopplung von Oszillator-Signalen aus dem Massezweig von Blockkondensatoren auch bei anderen Schaltungen funktionieren. Damit könnten ältere Geräte mit Analogskalen ebenfalls mit einem digitalen Frequenzzähler ausgestattet werden. Viele der marktüblichen Zähler-Module erlauben die Eingabe eines Frequenzversatzes, so dass auch Superhet-Empfänger ertüchtigt werden können.

Gl es 73,
Tom, DK1IS
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